Wie Unternehmen vom Konzept der Hyperkonnektivität profitieren können
Das Streben nach allumfassender Verbindung
Das aus Asien stammende, primär spirituell begründete Konzept der allumfassenden Verbundenheit aller Dinge, findet sich heute auch im industriellen Kontext – Stichwort: Smart Factory-Umgebungen – in völlig neuer Dimension wieder. Hier liegt der Schlüssel in einer umfassenden Vernetzung und barrierefreien Kommunikation zwischen Menschen und Maschinen. Dabei bezieht sich der Begriff der Hyperkonnektivität sowohl auf technische als auch menschlich-soziale Aspekte.
Der Terminus „Hyperkonnektivität“ ist dabei alles andere als neu. Bereits 2003 von den kanadischen Soziologen Anabel Quan-Haase und Barry Wellman geprägt, avancierte er auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos 2012 zum ultimativen Buzzword. Die beiden namengebenden Wissenschaftler prognostizierten dabei bereits vor über 20 Jahren, dass die wachsende Vernetzung von Mensch und Maschine – insbesondere durch das Internet – tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen hervorrufen wird. Heute stehen vor allem die Auswirkungen sozialer Medien auf unser Zusammenleben im Fokus der soziologischen Forschung.
Diskrepanz bei der Wahrnehmung und Nutzung von Hyperkonnektivität in Unternehmen
Während Personalleiter bereits deutlich von dieser profitieren, da sie verstärkt Social Media-Plattformen wie Facebook, Instagram und TikTok für die Rekrutierung geeigneter neuer Mitarbeitender nutzen, ist das Konzept für IT-Verantwortliche in mittelständischen Unternehmen oft noch wenig greifbar. Es bleibt daher die Frage, welche Rolle Hyperkonnektivität für die IT von Firmen grundsätzlich spielt. Spanische Ingenieure der Universität León definierten diese in ihrem Demonstrator für Smart Manufacturing als die umfassende und universelle Kommunikation zwischen heterogenen industriellen Anlagen in einem digitalisierten Umfeld – ermöglicht durch industrielle Netzwerke auf Basis von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT). Zusätzlich umfasst der Begriff auch die Darstellung von Daten über Schnittstellen sowie die Interaktion von Menschen mit digitalisierten Smart Factory-Umgebungen.
Ein komplexes Konzept also, das zunehmend an Bedeutung gewinnt. Dabei wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis das Kommunikationsaufkommen zwischen Maschinen untereinander das zwischen Menschen deutlich übersteigen wird. Laut Statista sind derzeit etwa 15 Milliarden Geräte weltweit mit dem Internet verbunden. Bis 2030 wird eine Verdopplung dieser Zahl prognostiziert. Während der Großteil dieser Verbindungen weiterhin kabelgebunden bleibt, wird der Anteil mobiler Kommunikationswege rapide ansteigen. So gab es in Deutschland im vergangenen Jahr bereits rund 62,8 Millionen M2M-Verbindungen über Mobilfunk.
Wissenschaftliches Anwendungsszenario zeigt zugleich Herausforderungen und Potenziale
An der Universität León wurde im Demonstrator primär das Zusammenspiel von Komponenten bei der Inspektion von Bauteilen simuliert. Eine der Schlüsselkomponenten stellte dabei ein autonom arbeitender, drahtlos angebundener Lagerroboter dar. Das System bestand aus einem kleinen Förderband, das mit einem Laser zur Vermessung der Prüfstücke sowie elektropneumatischen Aktoren ausgestattet war, die ungeeignete Bauteile aussortieren. Ein programmierbarer Logikcontroller (PLC) steuerte das Förderband, während ein Roboterarm die Bauteile auf dieses legte. Nach der vollautomatischen Prüfung wurden die Bauteile zusätzlich noch durch einen Menschen unter Zuhilfenahme eines Endoskops kritisch in Augenschein genommen. Alle bei diesem Prozess erhobenen Daten wurden dann über eine Workstation ins System integriert. Mittels einer speziell dafür entwickelten Smartphone-App können die Statusdaten des Lagerroboters – sobald die Kamera des Gerätes auf diesen gerichtet ist – abgerufen und durch Augmented Reality visualisiert werden. Ein lokaler Rechner sammelt sämtliche Daten und kommuniziert beispielsweise mit dem digitalen Zwilling des Roboters in der Cloud.
Die Kommunikation verschiedener technologischer Welten harmonisieren
Die Wissenschaftler identifizierten die größte Herausforderung der industriellen Hyperkonnektivität in der Kommunikation zwischen den Komponenten sowie dem Edge-Rechner und den Cloud-Anwendungen. Die verwendeten Kommunikationsprotokolle stammen aus unterschiedlichen Welten – der Betriebstechnik (OT) und der Informationstechnologie (IT) – was die Interoperabilität erschwert. Dabei kamen Protokolle wie „http/https“, „Profinet“ und „MQTT“ (Message Queue Telemetry Transport) zum Einsatz. Eine weitere Herausforderung bestand darin, die Antwortzeiten der drahtlosen und cloudbasierten Komponenten so zu optimieren, dass sie den lokal verarbeiteten Signalen möglichst nahekommen.
Die wahre Krux der Hyperkonnektivität liegt also in der aktuell noch verwirrenden Heterogenität der Kommunikationsprotokolle, die gelöst werden muss, um eine funktionierende Smart Factory zu ermöglichen. In vielen Werkshallen kommen auch heute noch analoge Signale zum Einsatz, die dringend zeitnah durch digitale Varianten ersetzt werden sollten. Das HART (Highway Addressable Remote Transducer)-Protokoll, das analoge Signale in 0 und 1 auf zwei Frequenzebenen digitalisiert, ist in der OT-Welt weit verbreitet. Gleichzeitig werden Ethernet-Kabel verlegt, um das TCP/IP-basierte MQTT-Protokoll zu nutzen – inzwischen eines der gängigsten Standards im IIoT. Nach der Digitalisierung vor Ort über Protokolle wie HART IP oder OPC UA erfolgt der Transport der Daten an verschiedene Server, welche die Fähigkeit besitzen, diese zu analysieren, zu konsolidieren und in eine höhere Systemebene – etwa an ERP-Systeme wie proALPHA – zu transferieren. An dieser Stelle ist jedoch noch viel Normierungsaufwand nötig. Über die Entwicklungen auf diesem Gebiet sollten sich mittelständische Unternehmen deshalb regelmäßig in den entsprechenden Arbeitskreisen und Gremien informieren.
Dreistufige Transformationsformel für Hyperkonnektivität in Unternehmen
Die erfolgreiche Integration von Hyperkonnektivität in Unternehmen macht eine Transformation auf drei Ebenen erforderlich. Zunächst müssen die Erfahrungen der Mitarbeitenden, Kunden und Geschäftspartner aus ihrem Privatleben in den beruflichen Alltag übertragen werden. Besonders die jüngere Generation erwartet ähnliche Nutzungserlebnisse auch im professionellen Umfeld. Zweitens müssen Unternehmen in die Digitalisierung ihrer internen und externen Prozesse investieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben und gesetzliche Anforderungen zu erfüllen.
Nicht zuletzt macht der Umgang mit komplexen End-to-End-Prozessen offene und interoperable Standards – insbesondere auch im Bereich der Kommunikationsprotokolle – unerlässlich. Parallel dazu gewinnt die Cybersicherheit zunehmend an Relevanz und muss in diesem Bereich intensiviert werden. Das übergeordnete Ziel dieser Transformation besteht darin, mehr Transparenz über den aktuellen Stand des Unternehmens zu schaffen und in Echtzeit Einblicke in die Geschäftsentwicklung zu gewinnen. Zusätzlich sollen prädiktive und präskriptive Fähigkeiten entwickelt werden, um zentrale Geschäftsvorgänge proaktiv in die Zukunft zu lenken.